Warum du kritischer gegenüber Werbeversprechen über Sprachkurse sein solltest

Warum du kritischer gegenüber Werbeversprechen über Sprachkurse sein solltest
Werbeversprechen – sag mal ehrlich:
Wenn du eine Werbung für eine geheimnisvolle Schlankheitstinktur siehst, die dir weismachen will, dass du damit 30 kg in drei Wochen abnimmst, glaubst du das?
Vermutlich nicht. „Das kann doch niemals funktionieren“, sagt man da zu Recht. Und die Skepsis ist gut! Jeder mit gesundem Menschenverstand weiß, dass solche Aussagen bewusst als Werbesprech gewählt, aber keinesfalls seriös oder ernstzunehmen sind.
Wenn eine Werbung dir jedoch erklärt, dass du mit dieser bahnbrechenden Methode in nur drei Wochen fließend eine neue Fremdsprache sprechen kannst, ist das ganz genau so ein Unsinn wie die 30 kg. Trotzdem glauben und kaufen das unfassbar viele Leute.
Aus irgendwelchen Gründen hört die Skepsis beim Sprachenlernen auf, hab ich so das Gefühl. Dazu kommt meine Gegenfrage: Was ist eigentlich fließend? In diesem Blogartikel gehe ich ihr weiter nach. Fließend eine Zimtschnecke im Café bestellen kann gut und gern klappen nach drei Wochen, aber fließend ein Vorstellungsgespräch oder eine Debatte über Vor- und Nachteile von Wärmepumpen führen und das Gegenüber dabei noch „fließend“ verstehen WIRD NICHT KLAPPEN.
Noch ein konkreteres Beispiel gefällig?
Wenn die App mit der Karikatur von Einstein behauptet: „Jeder, der dieses Rätsel lösen kann, hat einen IQ von 190“, glaubst du das?
Vermutlich auch nicht. „Wie soll die App das wissen, zum IQ gehört noch so viel mehr dazu, und außerdem kann man voll einfach mogeln“, sagen sicher viele. Korrekt.
Wenn die Sprachenlernapp jedoch behauptet: „Wer diese Aufgaben und Lektionen durchgeklickt hat, hat das Niveau A1/A2/B1“, ist das ebenso ein Unsinn wie der Über-IQ, es gehört ebenso VIEL mehr dazu, eine Niveaustufe zu erreichen, und man kann ebenso mogeln. Trotzdem nehmen das unfassbar viele Leute für bare Münze. Und sind dann herb enttäuscht, wenn sie sich in einen Sprachkurs setzen, der auf das genannte Niveau aufbaut und sie kein Wort verstehen oder selbst sprechen können.
Warum glauben wir märchenhaften Werbeversprechen?
Ich denke, weil wir das so gern glauben würden, weil es halt sooo schön wäre, wenn es stimmen könnte, bleibt die Skepsis auf der Strecke. Aber so, meine Lieben, funktioniert Sprachenlernen nicht. Mein Standardsatz dazu: Sprachenlernen ist Arbeit. Immer. Mit passender Ausrüstung gehts mal leichter und mal schneller, aber nie in drei Wochen und nie durch alleiniges Rumwischen auf einem Handy.
Heißt für die viel zu Gutgläubigen: „Ich wandere jetzt in Dänemark ein, [ein Anbieter mit einer Zahl im Namen] sagt ich habe B1, dänischer Arbeitsmarkt ich komme!“ geht auf die Nase. Klar, überhaupt lernen ist besser als gar nicht lernen. Aber man darf nicht zu viel von diesen Methoden erwarten. Bitte, bitte seid kritisch. Abgesehen davon bereitet man sich auf eine Auswanderung und eine ausländische Arbeitsstelle nicht mit einer App sprachlich vor, sondern bestenfalls in profunden Experten-Sprachkursen. Damit geht es schneller und gründlicher – dein zukünftiger Chef und deine Kollegen werden es dir danken.
Denn warum, denkst du, existieren Sprachschulen und Sprachlehrer immer noch?
Müssten wir nicht alle lääängst dicht gemacht haben, wenn es so viel einfachere Möglichkeiten gäbe als unseren Unterricht? Gibt es halt nicht.
Wäre nicht eh inzwischen schon jeder Mensch fließend drei-, fünf-, zwölfsprachig? Wozu gibt es dann überhaupt noch Übersetzer, es sollte doch jeder in Nullkommanichts jede andere Sprache verstehen können? Ist aber auch nicht so, wie du siehst.
Warum gibt es keine schnelle Wundermethode zum Sprachenlernen?
Vor vielen Jahren bekam ich mal Werbung für eine superneue und angeblich ganz, ganz effektive Methode des Sprachenlernens, und weil ich natürlich neugierig war, forderte ich das gratis E-Book an. Und die Methode war – und das ist nicht gelogen: Man lerne über die Haut. Man spielt irgendwelche Töne der Sprache ab, deren Schwingungen die Haut aufnehme, und dann pflanze sich die Sprache von selbst in dein Gehirn. Natürlich. Und wir Dussels aus der Steinzeit schauen immer noch in Lehrbücher und machen Grammatikaufgaben! :D
Gut, also nicht nur habe ich diese Mär nicht geglaubt (krass kritisch, wie ich nun mal bin!), sondern habe ich auch danach nie wieder davon gehört oder gelesen. Warum bloß nicht? Vielleicht, weil „von selbst“ grundsätzlich NIE stimmt beim Erwerben von Sprachkenntnissen, solange du kein Baby bist? Mysteriös.
Gäbe es die eine revolutionäre, ultraschnelle Methode, ohne Mühe eine Sprache zu lernen, dann hätte auch ganz sicher nicht ausgerechnet ein kleiner App-Entwickler sie entdeckt und zeigt sie dir für 3,99 € im Monat. Dann gäbe es einen weltweiten Aufschrei, den du weit außerhalb deines Facebook-Feeds mitbekämst, und jeder würde sie nutzen, und wir alle hier wären morgen arbeitslos.
Da das bislang noch nicht passiert ist, wissen wir: Die Werbeversprechen rund ums Sprachenlernen sind so gut wie immer riesiger Unsinn. Das kann ich dir auch aus fast 15 Jahren Erwachsenenbildung sicher sagen (hätte ich vermutlich auch schon nach zweien gekonnt). Und ich finde sie auch unfair – Stichwort Kundentäuschung – denn man bekommt schlichtweg nicht das, was man sich erhofft. Weder fließende Sprachkenntnisse noch ein zertifiziertes Niveau.
Regel zur Unsinns-Überprüfung: Je schneller und einfacher angekündigt wird, desto unwahrscheinlicher. Denn, nochmal: Sprachenlernen ist Arbeit. Oder wie wir in Trondheim sagen: Det e itjnå som kjem tå sæ sjøl.
Wie lernt man denn nun gut und schnell?
Zeige ich dir drüben im eigens dafür erstellen Blogartikel.
Hab ich das Arbeitstier in dir geweckt? Dann teste gern mal die altbackene Methode des Sprachunterrichts bei uns – mit dem du übrigens sehr viel entspannter und gründlicher auf das richtige B1 kommst als alleine. Aber eben nicht „von selbst“.
