Mythen des Sprachenlernens: „Nur Muttersprachler der Lernsprache sind gute Lehrer.“

Meine schon oft an anderer Stelle gepostete „Richtigstellung“, die supergern falsch verstanden wird, bezieht sich auf das Lernen mit einem Lehrer, der die Lernsprache als Muttersprache hat, also ein echter Schwede, der Schwedisch unterrichtet, oder ein echter Finne, der Finnisch unterrichtet usw. Viele Schüler wünschen sich das explizit für ihren Sprachunterricht, und viele Sprachschulen werben auch damit. Was mir schleierhaft ist, denn einfach nur eine Sprache von Geburt an zu sprechen beinhaltet ja keinerlei Qualifikation an sich. Und eine Sprachschule sollte meiner Meinung nach mit Qualifikation werben; mit „Herkunft“ zu werben, hat so einen Beigeschmack. Darum (genau lesen bitte):

❌ Nur Muttersprachler der Lernsprache sind gute Lehrer.

✅ Nein! Richtig ist: Ausgebildete Fachkräfte sind gute Lehrer. Sie können jede beliebige Sprache als Muttersprache haben. Fremdsprachige Lehrer haben z. B. den „Ich weiß selbst, wie man diese Sprache neu lernt“-Erfahrungsvorteil. Bedenke: Nur, weil jemand Deutsch spricht, ist er nicht zwangsläufig ein guter Deutschlehrer – weil man „einfach so“ nämlich überhaupt keine Ahnung von den Regeln seiner eigenen Sprache hat. Die muss man lernen, z. B. in einem Linguistikstudium und durch ausgiebige Beschäftigung mit System und Hintergrund der Sprache.

Oder weißt du auswendig, warum „trotz“ manchmal den Dativ und manchmal den Genitiv bekommt? Ich nicht, ich guck das nach und vergesse es dann wieder, weil ich keine Eselsbrücke dazu kenne, weil ich es mir nie als Regel merken musste, sondern „Das klingt richtig“ für meinen Alltag ausreicht. Ein Lehrer weiß das (im Idealfall zumindest) und kann es sogar erklären, ein Muttersprachler ohne Sprachausbildung weiß es nur eventuell und kann es mit Sicherheit nicht erklären, sondern sagt dir „Das musst du halt auswendig lernen.“ Und mit der Aussage hilft er Schülern nicht.

Wer das dringend falsch verstehen und mich dafür angehen möchte, der liest jetzt „Muttersprachler sind schlechte Lehrer“, oder „Bei Muttersprachlern sollte man besser nicht lernen“, und DAS sind nicht meine Aussagen! Sie können hervorragende Lehrer sein, haben wir massenweise im Team, ja, aber die Kollegen sind dazu ausgebildet, nicht so geboren. Überzeug dich auf ihren Profilen auf unserer Website.

Und zu guter Letzt kurz was zum Phänomen des Irrglaubens, „Nur von einem Muttersprachler lernt man die Sprache akzentfrei“: Erwachsene lernen prinzipiell so selten eine neue Sprache akzentfrei, da ist die Art, wie der Lehrer spricht, vollkommen egal, glaub mir.

Mein Sprachkurs in Norwegen bestand aus Menschen unterschiedlicher Nationen, die ausschließlich in Norwegen von Norwegern Norwegisch gelernt hatten bis auf B2. Als wir den anschließenden C1-Kurs betraten, konnte ich nach drei Sätzen jedes einzelnen Teilnehmers seine Herkunft erkennen, weil ausnahmslos alle ihren Heimatakzent immer noch dabei hatten. War aber nicht schlimm, denn Grammatik und Wortschatz waren hervorragend.

Warum ist das überhaupt so ein riesiges Thema? Akzente sind doch übel sexy! Den Mythos, dass akzentfreies Sprechen das einzige Lernziel sein sollte, buste ich darum in einem anderen Blogartikel.

Andererseits: Wenn es stimmen würde, dass man von Muttersprachlern akzentfrei sprechen lernt, würde das ja auch bedeuten, dass jeder, der selbst ursprünglich von Muttersprachlern gelernt hat, ebenfalls wieder tipptopp für diese Nörgler als Lehrer in Frage kommt, weil er ja nach deren Logik akzentfrei spricht, womit sich die Muttersprachlerforderung selbst widerlegt. ;-)

Mein Tipp jedenfalls: Auf Ausbildung, Qualifikation und Unterrichtserfahrung schauen bei der Sprachschul- und Lehrerwahl.